Zwei klische*esc-Bücherkoffer in der ‚klischeefreien Zone‘ in Frankfurt a.M.

Interview mit Linda Kagerbauer aus Frankfurt a.M. zum Einsatz des klische*esc-Medienkoffers

Linda Kagerbauer ist Referentin für Mädchenpolitik im Frauenreferat der Stadt Frankfurt a.M. Das Frauenreferat der Stadt hat zusammen mit der Stadtbücherei Frankfurt zwei klische*esc-Medienkoffer angeschafft. Sie sind in der Kinderbibliothek ausleihbar, in der sogenannten klischeefreien Zone.


klische*esc: Wie seid Ihr auf die Arbeit von klische*esc und unseren Koffer aufmerksam geworden?


Linda Kagerbauer: Die Arbeit des Vereins verfolgen wir schon lange. Ob das die Rosa-Hellblau-Falle oder der Equal Care Day ist – als Frauenreferat sind wir den Themen des Vereins sehr nahe. Wir sind auf Euch über Eure SocialMedia-Präsenz und über die Newsletter aufmerksam geworden. Wir arbeiten ebenfalls am Abbau von Geschlechterstereotypen und für die Sichtbarmachung dieser Themen. Insofern war es leicht, uns mit Euch verbunden zu fühlen.


Die Stadtbücherei ist auf den Medienkoffer aufmerksam geworden und da wir im Rahmen unserer aktuellen Kampagne klischeefreie Zone auf der Suche nach Materialien waren, kam es zu einer Kooperation. Wir wollten Eure Arbeit unterstützen und damit Sorge tragen, dass in möglichst vielen Kinderzimmern und Einrichtungen durch Kinderbücher Stereotype abgebaut werden und real existierende Vielfalt sichtbar gemacht wird.

Gemeinsame Ziele des Frauenreferats Frankfurt a.M. und klische*esc e.V.

klische*esc: Unsere Anliegen überschneiden sich im Abbau von Geschlechterstereotypen – gibt es noch andere?


Linda Kagerbauer: Als Frauenreferat haben wir die Aufgabe, in der Stadt Frankfurt feministische Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Das heißt: Für die Lebensrealitäten der Frankfurter Mädchen und Frauen einzustehen und zu zeigen, dass diese strukturell und nicht persönlich verursacht sind. Wir versuchen eine Form der Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln, die im Alltag der Frankfurter*innen ankommt, aus dem Alltag spricht und zu Ermutigung und Empowerment anregt. Dazu überlegen wir – ähnlich wie Ihr – welche Materialien sich dazu eignen. Ich glaube, wir arbeiten an ähnlichen Schnittstellen: Nämlich aus der Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse ermutigende und informierende Materialien zu entwickeln. Und das tun wir als Frauenreferat immer am liebsten zusammen. Der Weg zu einem unabhängigen, gewaltfreien, selbstbestimmten Leben geht nur gemeinsam in der Vernetzung – so verstehe ich Eure Arbeit auch. Auch thematisch sind wir uns sehr nah. Wir arbeiten viel in den Bereichen geschlechtergerechte Sprache, Equal Care und Equal Pay – die vielen alltäglichen Spuren, in denen sich Diskriminierungsverhältnisse sehr konkret zeigen, aber wenig passiert.


klische*esc: Das heißt Ihr habt auch selber Materialien erstellt? Welche sind das zum Beispiel?

Linda Kagerbauer: Ja, ihr könnt gern mal auf der klischeefreie Zone-Webseite vorbeischauen. Wir haben zum Beispiel den klischeemarker-Textmarker entwickelt, den wir Menschen konkret in die Hand geben können. Wenn sie beim Lesen eines Textes feststellen, wie sehr er von stereotypen Bildern geprägt ist, können sie die entsprechenden Passagen markieren. Wir versuchen da ganz kreativ zu sein etwa mit Plakatkampagnen oder Stickern. Wir versuchen – ähnlich wie Ihr – den Leuten etwas im wahrsten Sinne des Wortes in die Hand zu drücken, um sie so für einen feministischen Alltag zu wappnen.

Wir versuchen – ähnlich wie Ihr – den Leuten etwas im wahrsten Sinne des Wortes in die Hand zu drücken, um sie so für einen feministischen Alltag zu wappnen.

Mithilfe des Bücherkoffers vielfältige Kinder- und Jugendrealitäten sichtbar machen


klische*esc: Was kann Deiner Meinung nach der Koffer leisten? Wo kann er gut eingesetzt werden?


Linda Kagerbauer: Der Koffer ist ja in Kooperation mit der Stadtbücherei nach Frankfurt a.M. gekommen. Uns hat total gefreut, dass sich auch öffentliche Einrichtungen und insgesamt öffentliche Räume für feministische Themen einsetzen. Es ist richtig toll, dass das eine gemeinsame Aktion war. Die Koffer selbst gibt es in den Stadtteilbüros auszuleihen, die rotieren. Die Idee ist aus dem Bedarf entstanden, dass sowohl Fachkräfte als auch Erzieher*innen angemerkt haben, dass die klassischen Bücher die diversen und intersektionalen Lebensrealitäten von Kindern und Jugendlichen überhaupt nicht erfassen. Mit den Materialien des Bücherkoffers wollen wir den Kindern und Jugendlichen das Gefühl vermitteln, dass sie mit ihrer Realität gesehen und anerkannt werden. Der empowernde Effekt ist hierbei sehr wichtig. Das Feedback bisher zeigt, dass das ankommt und wirkt. Wir wollen Seh- und Denkgewohnheiten verändern und dafür Sorge tragen, dass Vielfalt selbstverständlich ist, mitgedacht und miterzählt wird.


klische*esc: Du hast gesagt, dass die Koffer rotieren und in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden. Was heißt das? Wo kommen die hin, wer nutzt die Koffer?


Linda Kagerbauer: Wir wissen, dass sie in vielen Kitas, Mädcheneinrichtungen und Jugendtreffs unterwegs sind. Das Schöne ist, dass auch pädagogisches Begleitmaterial dabei ist. Das eine ist, solche Bücher in der Einrichtung zu haben, und das andere sind sensibilisierte sowie politisierte Kolleg*innen. Uns gefiel an dem Koffer, dass er nicht nur ersteres bietet, sondern im besten Fall auch Erzieher*innen, Pädagog*innen und Eltern informiert und inspiriert.

Der Bücherkoffer setzt Impulse


klische*esc: Gibt es Erwartungen, die Du an den Koffer hattest? Sind diese erfüllt worden oder nicht?


Linda Kagerbauer: Also meine Erwartungen wurden voll erfüllt. Und, na klar, so ein Koffer kann natürlich nicht voll genug sein! Das kann nur ein Impuls sein. Im Prinzip richten sich meine Erwartungen weniger an Euch als an an die sozialen Einrichtungen und die Infrastruktur insgesamt. Möglichst viele Einrichtungen sollten ihn besitzen bzw. sollten Fachkräfte eine Idee davon haben, warum ein so kleiner alltäglicher Beitrag viel zu Sichtbarkeiten und Repräsentanzen beitragen kann. Zum Beispiel gefiel mir besonders gut Little People, Big Dreams. Den Kindern und Jugendlichen werden andere Vorbilder angeboten. Vorbilder, die sie vielleicht noch gar nicht kannten. Ich habe die Reihe gleich meinen Patenkindern geschenkt!


klische*esc: Welches Feedback hat Euch aus den Einrichtungen erreicht?

Was ich mehrfach gehört habe, war dieses Gefühl von „Endlich“: Endlich gibt´s so einen Koffer, der so kompakt so viel bietet.

Linda Kagerbauer: Was ich mehrfach gehört habe, war dieses Gefühl von „Endlich“: Endlich gibt’s so einen Koffer, der so kompakt so viel anbietet. Das sagt ja auch viel darüber aus, wie traurig diese Kinderbuchecken normalerweise sind. Immer die gleichen Geschichten einer bestimmten Gruppe von weißen, cisgeschlechtlichen, nicht-behinderten Figuren. Besonders in solchen Zeiten ist es mir, als Referentin für Mädchenpolitik wichtig, junge Generationen ernst zu nehmen. Ich glaube das ist wirklich der Schlüssel für eine Welt, in der wir gegen Antifeminismus, Rassismus sowie Spaltung kämpfen und auf Vielfalt sowie Zusammenhalt setzen. Das ist schön, dass dieser Koffer das möglich macht.


klische*esc: Denkst Du, es lassen sich mithilfe des Koffers Dinge vermitteln, was ohne ihn nicht so leicht wäre?


Linda Kagerbauer: Ich glaube, der zentrale Punkt ist, dass die Materialien im Koffer starke Geschichten aus der Perspektive der Kinder und Jugendlichen erzählen. Der Koffer gibt mehr Möglichkeiten nachzufragen, zuzuhören und einander verstehen zu lernen. Das geht auch ohne Koffer, aber mit Koffer noch viel mehr. Der Koffer lädt auch dazu ein, die eigene Perspektive zu prüfen und kritisch zu reflektieren: Welche Privilegien habe ich? Welche Perspektive habe ich? Einige Geschichten kann ich sehen und erzählen, andere nicht. Und selbst wenn ich nicht alle Geschichten erzählen kann, kann ich dafür Sorge tragen, dass sie trotzdem oder gerade deswegen in solchen Büchern erzählt werden.


klische*esc: Das freut uns sehr, dass wir mit dem Projekt so ein positives und optimistisches Feedback bekommen! Nachdem jetzt aber so viel Gutes gekommen ist, gibt es vielleicht noch Kritik? Hätte es von etwas mehr oder fehlte etwas?

Linda Kagerbauer: Also natürlich müsste noch viel mehr rein, aber ich kann gar nicht so genau sagen was. Ich verstehe den Koffer auch nicht als einen Versuch, ein abgeschlossenes Bild zu liefern, sondern einzuladen und anzubieten. Und das tut er, von daher habe ich keine Kritik. Ich finde, dass der Koffer ein wichtiger Auftakt ist, und die Hauptsache ist, der Koffer rollt los. Eine ganz starke und wichtige Initiative, die wir gerne unterstützt haben.

klische*esc: Wir sagen herzlich Danke für diesen Austausch und das Miteinander beim Thema klischeefreie Kinderbücher! Alles Gute!

Frauenreferat und Stadtbücherei Frankfurt a.M. stellen 2 klische*esc-Medienkoffer zur Ausleihe bereit

Das Interview führten Valerie Wohlfarter und Céline Duval.